Der Ausstand der Straßenbahner vom 27. Mai bis 9. Juli 1921

Die Vollversammlung und weitere Folgen

In der angekündigten Vollversammlung vom 31. Mai 1921 kamen nur wenige neue Erkenntnisse zu Tage. Die Straßenbahner hatten Zweifel an der Richtigkeit der Unterbilanz ihres Betriebes und forderten Einblick in die Bücher des Betriebes. Diese Forderung wurde unter Hinweis auf die Rechnungausschüsse der Stadt abgelehnt.
Nach längeren Debatten wurde beschlossen im Streik zu verharren und dem Magistrat einen Entschluss zu übersenden in dem gefordert wurde mit der Streikkommission in Verhandlungen zu treten.

Als am 1. Juni 1921 das Ultimatum des Magistrats fruchtlos ablief, erfolgten die bereits angedrohten Maßnahmen. Alle zu diesem Zeitpunkt im Streik befindlichen Straßenbahner wurde die fristlose Kündigung zugestellt.

Als Folge dessen, kamen die übrigen städtischen Arbeiter und Angestellten zu einer Betriebsversammlung im Konzerthaus zusammen. Es wurde auf selbiger beschlossen sich nicht an dem Streik zu beteiligen, aber die streikenden, nun ohne Lohn, mit Geld zu unterstützen. Anfangs wurde eine Unterstützung von 10% des Einkommens vorgeschlagen, später aber beschlossen eine Kommission einzusetzen, diese wurde am selben Abend gewählt.

In der Potsdamer Tageszeitung folgte in den Tagen danach eine Reihe von Wortgefechten, Richtigstellungen und Stellungnahmen ohne auch nur eine Veränderung herbeizuführen.

Kremser als Straßenbahnersatzverkehr

Auch nach 13 Tagen Streik gab es keinen Straßenbahnverkehr. Einige Kremser hatten hier eine Chance gesehen und boten vom Hauptbahnhof zum Grünen Gitter von Sanssouci und der Historischen Mühle Fahrten für 2 Mark pro Fahrgast an. Somit kamen die Touristen während des Streiks zum Schloss Sanssouci und wieder zurück. Erfahrene Besucher des Parks sind gleich mit den Zügen bis zum Bahnhof Charlottenhof bzw. Wildpark gefahren und sind von dort gelaufen.

Bild: Das "Grüne Tor": Eingang zum Park Sanssouci

Das "Grüne Gitter": Eingang zum Park Sanssouci
Hierher fuhren die Kremser während des Streiks ihre Fahrgäste.

Erste Verhandlungsversuche

Am 24. Juni 1921 hatten die streikenden Straßenbahner dem Magistrat eine Entschließung zugestellt, in der gefordert wurde alle Streikenden in den alten Stand wieder einzusetzen. Dem entgegnete der Magistrat mit einer Entschließung seinerseits, dass er die Streikleitung nicht als Verhandlungsgegner anerkannte. Nach Auffassung des Magistrats war es kein Streik mehr, die Arbeiter wurden ja alle entlassen, sondern vielmehr eine stadtseitige Einstellung des Straßenbahnverkehrs. Einzig eine Verhandlung mit der Organisation der Arbeiter, dem Transportarbeiterverband, stimmte der Magistrat zu. Er stellte aber auch gleich zahlreiche Bedingungen, wie zum Beispiel die Anerkennung der derzeitigen Arbeits- und Lohnbedingungen.
Der Transportarbeiterverband sollte bis zum 1. Juli 1921 15:00 Uhr eine schriftliche Zusage machen. Für die Arbeiter, die wieder arbeiten wollten, galt die gleiche Frist sich bei der Betriebsverwaltung zu melden.

Der Transportarbeiterverband führte am 30. Juni 1921 eine Vollversammlung durch, nachdem er zuvor mit dem Magistrat Verhandlungen führte. In dieser Vollversammlung wurden die Bedingungen des Magistrats mit 141 gegen 24 Stimmen abgelehnt und die alten Streikforderungen gestellt. Der Magistrat zeigte sich enttäuscht und verhielt sich erstmal abwartend.

Das Ende der Potsdamer Straßenbahn?

Da alle Verhandlungen und Fristen fruchtlos blieben, überlegte der Magistrat ernsthaft die dauerhafte Einstellung der Straßenbahn. Die großen Schulferien und damit die Hauptreisezeit standen unmittelbar bevor. Würde der Streik über diese Zeit hinausgehen, würde der Schaden immense Folgen haben. Somit überlegte der Magistrat die Einstellung der Straßenbahn zum 1. April 1922. Bis dahin sollten andere Modelle des Betriebes geprüft werden.

In einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 7. Juli 1921 beschlossen diese, der Vorlage des Magistrats zuzustimmen. Somit ist die Einstellung der Straßenbahn zum 1. April 1922 beschlossene Sache, sollten die Streikenden nicht an die Arbeit zurückkehren.

Das Ende des Streiks

Auf einer Versammlung am 8. Juli 1921 haben die Arbeiter und Angestellten der Stadt beschlossen keinen allgemeinen Streik anzufangen. Somit haben die Straßenbahner beschlossen sofort wieder an die Arbeit zu gehen. Damit war auch die drohende endgültige Stilllegung der Straßenbahn vom Tisch. Am 10. Juli 1921 wurde im gesamten Netz, mit Ausnahme der Strecke Kastanienallee - Luftschiffhafen, der Betrieb wieder aufgenommen. Für die Fahrgäste war dies gleichzeitig mit einer Tariferhöhung verbunden.


Hier kommen Sie zum ersten Teil


Autor:
Michael Dittrich

Quellenangaben:
Verschiedene Ausgaben der Potsdamer Tageszeitung vom 27. Mai 1921 bis 11. Juli 1921