Die Potsdamer Variobahn (Teil 2)
Das Fahrzeug
Die Variobahn für Potsdam besteht aus fünf Modulen. Drei Module sind mit einem Fahrwerk versehen, die jeweils zwei Radpaare haben. Mit einer Länge von 29,972 Meter, einer Breite von 2,3 Meter und einer Höhe von 3,4 Meter erreicht sie ein Eigengewicht von 38 Tonnen.
Der Rohbau besteht aus Nichtrostendem Edelstahl und ist ein Einrichtungsfahrzeug.
Für den Antrieb kommen getriebelose Radnabenmotore, was für mehr Geräumigkeit im Innenraum sorgt, zum Einsatz. Angetrieben sind die Räder im ersten und letzten Fahrwerk. Ihre Höchstgeschwindigkeit liegt bei 70 km/h, die derzeitig im Netz nicht ausgefahren werden können. In Potsdam ist die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h begrenzt.
Die Fahrdrahtspannung beträgt 600 Volt Gleichstrom, eine Umstellung auf 750 Volt Gleichstrom ist aber möglich. Die Spurweite beträgt, wie in Potsdam nicht anders möglich, 1435 mm.
Sie ist auf der gesamten Länge 100% Niederflur, was den Ein- und Ausstieg ohne größere Stufen ermöglicht. Die Einstiegshöhe beträgt 300 mm über Schienenoberkante. Zum Ein- und Aussteigen stehen vier Doppeltüren (außer im Modul drei an in allen Modulen) zur Verfügung.
Für die Abfertigung kommen erstmals in Potsdam keine Spiegel, sondern Kameras zum Einsatz. Sie übertragen die Bilder auf einen Monitor im Führerstand des Fahrzeuges.
Als Fahrzielanzeiger kommen gelbe LED-Anzeiger zum Einsatz.
Im Innenraum gibt es zwei Stellplätze für Kinderwagen, Fahrräder und Rollstühle. Diese befinden sich im zweiten und vierten Modul der Bahn, wo auch die Fahrkartenautomaten angebracht sind. An den Einstiegstüren zu diesen Modulen befindet sich eine Klapprampe.
Somit kann die Variobahn auch an den Haltestellen ohne Bahnsteig mit Rollstühlen genutzt werden.
Blick in den Fahrgastraum der Variobahn
© Michael Dittrich
Hinter der Tür des zweiten Moduls befinden sich drei Sitze und dem gegenüber fünf Sitze die quer zur Längsrichtung des Fahrzeuges angebracht wurden.
Im dritten Modul befinden sich wieder die klassischen 2+2 Bestuhlungen ohne Einstiegstür. Das vierte Modul ist wie, im zweiten Modul, mit einem Abteil für Kinderwagen und für Fahrräder ausgestattet. Auch hier wurden Sitze in Längsrichtung des Fahrzeuges eingebaut.
Das Heckteil verfügt über einen Heckfahrschalter zum Rückwärtsfahren und einer größeren Stehfläche.
Das Fahrzeug verfügt über eine Klimaanlage für den Fahrgastraum und dem Führerstand des Fahrzeuges.
Blick in den Fahrgastraum der Variobahn
© Michael Dittrich
Technische Details der Variobahn
Neben den oben bereits genannten hier noch einige Ergänzungen:
Türschließwarnsignale
Wieso Türschließwarnsignale? Reicht nicht eins? Natürlich reicht ein Warnsignal aus und es ertönt auch immer nur eins. Doch der Reihe nach. Alle Türen am Fahrzeug können durch den Fahrer per Tastendruck geschlossen werden (Zwangsschließen). Dies ist aber nur erlaubt, wenn vorher mit einem Warnsignal das Schließen der Türen angekündigt wurde. Dies ist Bestandteil des Sicherheitskonzeptes der Bahn und entspricht der aktuellen Normenlage. In Potsdam wird ein Drei-Klang-Ton verwendet, der über die Lautsprecheranlage der Bahn ausgegeben wird. Lautsprecher gehören aber nicht zum Sicherheitskonzept der Bahn. Was also tun? Hier bieten sich zwei Möglichkeiten: Eine Möglichkeit ist, man nimmt die Lautsprecher in das Sicherheitskonzept der Bahn. Dann würde bei einem Ausfall der selbigen aber eine Weiterfahrt ausgeschlossen sein, nicht unbedingt eine fahrgastfreundliche Lösung. Die Techniker der Firma Stadler haben sich aber für die zweite Lösung entschieden. Man baue einfach zwei unterschiedliche Systeme ein und verbinde beide Systeme miteinander. Beim Betätigen des Türschließtasters auf dem Fahrerpult wird der Drei-Klang-Ton ausgelöst und die Fahrgastinformationsanlage gibt eine Rückmeldung an die Türsteuerung, dass der Ton ausgegeben wurde. Erfolgt die Rückmeldung nicht, weil der 3-Klang-Ton nicht abgespielt werden kann, ertönt an den Türen ein Piep-Ton, ähnlich wie er in Berlin benutzt wird. Dadurch ist die Variobahn in Potsdam mit zwei Türschließwarnanlagen ausgestattet.
Aus technischen Gründen wurde der Dreiklang abgeschaltet, es ertönt nun nur noch das Piepsen.
Fahrgastraum
Der Fahrgastraum ist mit 57 Sitzplätzen und 118 Stehplätzen für 175 Fahrgäste konzipiert.
Die verhältnismäßig geringe Sitzplatzanzahl wurde gewählt, um dem Problem der in Spitzenzeiten überfüllten Bahnen zu begegnen.
Die Beleuchtung des Fahrzeuges erfolgt über zwei Lichtbänder mit Leuchtstofflampen, die sich seitlich befinden und damit das Fahrzeug gleichmäßig ausleuchten. Zur besseren Ausleuchtung (bei der Bedienung) der Fahrkartenautomaten sind zusätzliche LED-Spots (in der Wagendecke) angebracht.
Für die Temperaturregelung kommen im Fahrgastraum zwei Klimaanlagen, vorne und hinten, zum Einsatz, die jeweils eine Fahrzeughälfte klimatisieren und miteinander kommunizieren um gegenteilige Betriebszustände zu vermeiden. Das kann z.B. auftreten wenn vorn und hinten ein unterschiedliches Ein- und Ausstiegsverhalten über einen bestimmten Zeitraum auftritt. Die Fenster sind in der Regel verschlossen und können bei Bedarf vom Fahrer geöffnet werden, wenn die Klimaanlage ausgefallen ist. Solange Fahrstrom vorhanden ist, gibt es auch eine (abschaltbare) automatische Frostschutzfunktion welche die Bahn frostfrei hält.
Blick in den Fahrgastraum der Variobahn
© Michael Dittrich
Fahrgastinformation
Neben den angeklebten Liniennetzen und den Haltern für Informationsmaterial, welche sich an der Automatentrennwand befinden, sind im Fahrgastraum an vier Stellen mit, in jeder Blickrichtung zwei, Multifunktionsdisplays vom Typ MFD G2 vorhanden, die an der Decke montiert sind. Jeder Monitor hat eine Breite von 420 mm und eine Höhe von 250 mm. Auf einem Monitor (in Fahrtrichtung der linke) werden die nächsten sechs Haltestellen angezeigt, auf dem daneben befindlichen können neben Werbung auch Informationen der Leitstelle (zum Beispiel bei Abweichungen der Linie) eingespielt werden.
An der zweiten, dritten und vierten Tür sowie an den beiden Rollstuhlplätzen gibt es Fahrgastsprechstellen von denen aus die Fahrgäste Sprechkontakt zum Fahrer aufnehmen können. Bei Betätigung der Notbremse im Türbereich wird automatisch eine Sprechverbindung von diesem Türbereich zum Fahrer aufgebaut. In den beiden Mehrzweckbereichen sind Vorrüstungen für je eine weitere Sprechstelle, die bei Bedarf nachgerüstet werden kann.
Weitere Fahrgastinformationen ertönen über die Lautsprecher in Form der bisher bekannten Ansagen der nächsten Haltestelle. Die Betriebsleitstelle kann auch Durchsagen direkt in den Fahrgastraum machen. Eine Funktion die sich bei Betriebsstörungen als Vorteil erweist.
Als Zielbeschilderung dienen amberfarbene LED-Anzeiger, die sich an der Spitze, an den Seiten und am Heck befinden.
Videoüberwachung in und an den Fahrzeugen
Der Fahrgastraum der Variobahn wird mit zehn Videokameras überwacht, deren Daten 72 Stunden aufbewahrt werden. Je zwei Kamerabereiche überdecken sich weitgehend bzw. teilweise.
Die Variobahn verfügt, als Ersatz der klassischen Rückspiegel, über Außenkameras. Auf jeder Seite des Fahrzeugs befindet sich eine Kamera, deren Daten direkt auf je einen Monitor übertragen werden, der hochkant im Führerstand angebracht ist. Das dargestellte Bild entspricht dem des klassischen Rückspiegels. Um bei einer Kollision oder einer Gefährdung die Umstände, die dazu geführt haben nachvollziehen zu können, werden die Bilder der Außenkameras aufgezeichnet. Aus Datenschutzgründen werden jedoch nur 2 Meter rechts und links der Bahn aufgezeichnet, was ausreichend ist, um den Hergang nachzuvollziehen. Im Haltestellenbereich werden 5 Meter aufgezeichnet, was etwa der Haltestellenbreite entspricht.
Jeder Monitor hat eine Breite von 210 mm und eine Höhe von 280 mm. Am Tage werden die Bilder farbig dargestellt, bei Dunkelheit wird automatisch auf schwarz/weiß umgeschaltet. Diese Umschaltung ist erforderlich, um den Kontrast der Bilder zu bewahren. Sie verfügen auch über eine Gegenlichtkompensation, womit das bei Spiegeln auftretende Blenden bei tief stehender Sonne weitestgehend ausgeglichen werden kann. Alle Bilder dieser Kameras werden 10 Minuten lang gespeichert.
Erster Einsatz
Die Variobahn 421 wurde am 19. September 2011 erstmals im Linienverkehr eingesetzt (siehe Abbildung). Für diese Fahrten wurde vom ViP eine Broschüre mit den Fahrzeiten herausgebracht.
Technische Daten: | |
Hersteller: | Stadler Pankow GmbH |
Baujahr: | 2010 - 2014 |
Länge: | 29.972 mm |
Höhe: | 3.400 mm |
Breite: | 2.300 mm |
Leermasse: | 39 t |
Höchstgeschwindigkeit: | 70 km/h |
Sitzplätze: | 57 |
Stehplätze: | 118 |
Autor:
Michael Dittrich
Danksagung:
Der Autor bedankt sich bei den ihn unterstützenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma Stadler Pankow GmbH und ViP Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH
Quellen:
Potsdamer Neueste Nachrichten
Amtsblatt der Europäischen Union
Pressemitteilung ViP Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH und Stadler Pankow GmbH
Typenblatt der Firma Stadler Pankow GmbH