Die ersten Einheitswagen vom Typ ET/EB 50 und ET/EB 54

Einleitung

Ein Jahr nach Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) begann die Industrie mit dem Bau von neuen Straßenbahnwagen mit einheitlichen Gesichtspunkten. Der Volkseigene Betrieb (VEB) Waggonbau Werdau, welches der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) des Lokomotiv- und Waggonbau (LOWA) angehörte, baute bereits im Jahre 1950 die ersten Beiwagen eines neuen Typs. Diese Wagen erhielten die Typenbezeichnung EB50 (Beiwagen). Die dazugehörigen Triebwagen wurden als ET50 bezeichnet und ein Jahr später erstmal ausgeliefert. Im Volksmund wurden und werden auch noch heute, diese Wagen als LOWA-Wagen bezeichnet. Die Produktion dieses Fahrzeugtyps wurde 1954 an den VEB Waggonbau Gotha abgegeben. Dort wurde eine Weiterentwicklung unter der Bezeichnung ET54 (Triebwagen) und EB54 (Beiwagen) gebaut, welche bis 1956 ausgeliefert wurde.

Das Fahrgestell

Für die Triebwagen bestanden die Rahmen aus verschweißten Doppel-T-Profilen in denen die Fahrmotoren vom Typ EM 60/600, die Magnetschienenbremse und die mechanische Bremsanlage untergebracht war. Die Achsen waren in Rollenlagern untergebracht und hatten einen Abstand von 3000 mm. Die Fahrgestelle waren durch Blattfedern mit dem Wagenkasten verbunden. Bei Fahrzeugen für Potsdam kam als Feststellbremse eine auf der Achswelle angebrachte Bremsscheibe zum Einsatz, wie bei Fahrzeugen für Normalspur (1435 mm) üblich. Die Beiwagen besaßen keine Fahrgestelle, sondern waren selbsttragend ausgeführt. Alle erforderlichen Teile, wie Achsführungen, Halterungen für die Bremsen und der Schienenbremsrahmen waren an den Wagenkastenboden befestigt. Die Übertragung der Bremskräfte erfolgte über Bremsscheiben auf den Achsen.

Der Wagenkasten

Alle Wagen, mit Ausnahme der für Leipzig, wurden als Zweirichtungswagen mit jeweils zwei Doppelschiebetüren pro Seite ausgeliefert. Beide Wagenarten hatten auf jeder Seite vier Fenster deren oberer Teil heruntergeklappt werden konnte. Bei den Beiwagen konnten auch die Perronscheiben aufgeklappt werden. Ein in das Dach der Stirnfront eingebauter Kasten diente der Anzeige für die Liniennummern. Bei allen Triebwagen befanden sich an den Stirnseiten Vorrichtungen für die Zielbeschilderung. Diese waren auch in den Beiwagen der Baujahre 1950 und 1951 vorhanden. Im Trieb- und Beiwagen waren jeweils 22 Sitzplätze vorhanden. Bei den Stehplätzen hatten die Triebwagen 60 und die Beiwagen 80 zur Verfügung. äußerlich unterschieden sich die Typen ET/EB 50 von den ET/EB 54 in den Türen. Die ET/EB 54 hatten gerade Türen erhalten.

Die Wagenkästen wurden aus zusammengeschweißten Abkantprofilen gebaut. Lediglich der Bodenrahmen wurde mit Walzprofilen ausgestattet. Durch diese Bauweise kam es zu Absenkungen in den Plattformen und zu Rissen in den Türholmen. Die Schäden wurden in den eigenen Werkstätten durch ersetzen von Teilen oder Reparatur beseitigt. 1964 begann man in Potsdam mit dem Umbau der Zweirichtungswagen in Einrichtungswagen. Hierbei wurden die linksseitigen Türen festgelegt, die Türklinken entfernt und die Löcher durch das überschweißen von Blechen geschlossen. Der freiwerdende Platz wurde für das Aufstellen von Zahlboxen verwendet. Der im B-Teil vorhandene Führerstand wurde bei der Maßnahme mit entfernt, da dieser nicht mehr gebraucht wurde. Der Triebwagen hatte ein Gewicht von 12,5 Tonnen, der Beiwagen wog 7,5 Tonnen.

Bild: Ein LOWA-Wagen aus Rostock zu Besuch in Potsdam

Ein LOWA-Wagen aus Rostock zu Besuch in Potsdam.
Foto: Michael Dittrich

Elektrische Ausrüstung

Die Triebwagen erhielten 60 kW Fahrmotore vom Typ EM60/600 und vielstufige Nockenfahrschalter vom Typ STNfB1. Die Schienenbremsanlage wurde mit 600 Volt gespeist, aber über einen Vorwiderstand betrieben. In den Wagen der Baujahre 1950 bis 1952 hatte man auf den Einbau einer Schwachstromanlage verzichtet. Die Innenbeleuchtung, Rücklichter, Nummern- und Zielbeschilderung wurde über eine Serienschaltung betrieben. Erst ab dem Jahr 1953 baute man eine von der Fahrspannung unabhängige Schwachstromanlage in die Fahrzeuge ein und stellte die Innenbeleuchtung auf Leuchtstofflampen um. Zur Ladung der Batterieanlage ist im Triebwagen eine Lichtmaschine eingebaut. Die Verbraucher des Beiwagens wurden über Kupplungskontakte der Kupplung oder über separate Steckkupplungen vom Triebwagen versorgt.

Besondere Bauformen

Eine besondere Bauform dieses Typs baute der VEB Waggonbau Werdau im Jahre 1951 in Form eines vierachsigen Großraumwagens. Dieser Wagen hatte eine Breite von 2,5 Metern. Im selben Jahr baute man auch einen dreiachsigen Beiwagen. Diese Wagen waren anfangs bei den Berliner Verkehrsbetrieben im Einsatz. Der dreiachsige Beiwagen wurde 1961 nach Potsdam umgesetzt und dort 1966 ausgemustert. Weitere Wagen dieser Bauart gab es nicht.

Anlieferungen

Jahr Triebwagen Wagennummer Beiwagen Wagennummer
1950     12 77 - 88
1951 11 120 - 130 4 89 - 92
1953     1 93
1954 3 131 - 134 7 94 - 100

Einsätze

Am 16. Februar 1952 wurden die ersten Beiwagen ausgeliefert und kurz danach auch eingesetzt. Der erste Triebwagen kam genau acht Monate später am 16. Oktober 1951 in Potsdam an. Noch am Tag seiner Anlieferung wurde der Wagen probeweise im Netz gefahren. Es folgte die Anlieferung der restlichen zehn Triebwagen bis Ende November 1951 (die Märkische Volksstimme vom 27. November 1951 vermeldet die komplette Auslieferung der Wagen). Als möglichen Einsatztermin wird in der Ausgabe vom 27. November 1951 der 10. Dezember 1951 genannt. Ob an diesem Tag der erste Triebwagen eingesetzt wurde, ist nicht ermittelbar. In der Ausgabe vom 24. Dezember 1951 wird in einem Artikel die Inbetriebnahme der neuen Wagen verkündet. Diese erfolgte nach einer feierlichen Übergabe auf dem Platz der Einheit am 21. Dezember 1951 (an diesem Tag wurde Josef Stalin 72 Jahre alt) [1]. Erst die Anlieferung neuer Trieb- und Beiwagen aus Gotha machten diese Wagen ab 1975 entbehrlich. Der letzte Triebwagen im Fahrgastverkehr war der Triebwagen 144, welcher als Linie 3 im Nachtverkehr zwischen Platz der Einheit/Nord und Menzelstraße (kurz vor der Brücke der Einheit, heute Glienicker Brücke) eingesetzt wurde. Der Wagen wurde, wie seine "Kollegen" 133 und 137, in Arbeitswagen umgebaut und 1987 endgültig ausgemustert.


Autor:
Michael Dittrich

Quellen:
Stadtverkehr Potsdam, GVE Verlag
Nahverkehr Potsdam, Verlag Geramond, ISBN: 3-932785-03-7
Verkehrsgeschichtliche Blätter, Ausgabe Juni 1981, Volker Vondran
[1] Märkische Volksstimme 17. Februar 1951, 19. Oktober 1951 und 24. Dezember 1951


« Fremdwagen aus Berlin
Die Gotha-Einzelwagen »